Umsetzung des Bürgerentscheides

Nach dem deutlichen Votum der Mülheimer Bürger muss der Bürgerentscheid nun umgesetzt werden. Um den Betrieb, wie im Bürgerentscheid gefordert, wieder aufnehmen zu können, muss die Brandschutzsanierung durchgeführt werden. Darin sind sich alle einig. Weit auseinander gehen dagegen die Meinungen über weitere Sanierungsmaßnahmen.

Die Verwaltung hat schon im "Wahlkampf" zum Bürgerentscheid behauptet, die Sanierung der VHS werde 15,7 Mio. € kosten, da alle im Gutachten zum Kostenvergleich aufgeführten Maßnahmen auch unbedingt sofort durchgeführt werden müssten. Das wird aber nicht nur teuer, sondern erfordert auch eine europaweite Ausschreibung von Planung und Ausführung, was die Wiederinbetriebnahme weit hinauszögert.

Wir haben von Anfang an gesagt, dass die Brandschutzmaßnahmen von ggfs. weiteren Sanierungen getrennt werden können und müssen. Selbst die von der Stadt beauftragten Gutachter haben auf einer Bürgerversammlung bestätigt, dass ein solches Vorgehen möglich ist. Vieles, was in dem Gutachten aufgelistet wurde, ist auch in den nächsten Jahren noch nicht notwendig, vor allem aber nicht vor der Wiederaufnahme des VHS-Betriebs.

Im November 2019 legte nun die Verwaltung einen Beschlussvorschlag vor, der genau die von uns kritisierte Komplettsanierung beinhaltet:

Das würde bedeuten:

  • Komplettsanierung incl. Brandschutz mit europaweiter Ausschreibung
  • Kosten von 22,5 Mio., davon 3,9 Mio. Planungskosten
  • Fertigstellung und Wiederinbetriebnahme 2025
  • 700 m² für eine VHS-fremde Nutzung
  • Verschiebung der genannten Investitionen für Schulen und Sportanlagen

Das wollen wir SO NICHT! Das ist überflüssig, zu teuer und zu zeitaufwendig!

Für die Ratssitzung gibt es einen Gegenantrag von MBI und WIR aus Mülheim:

Erstellung eines Wiederherstellungskonzepts für die Volkshochschule in der MüGa unter Mitwirkung des Architekten, Herrn Teich

 

Beschlussvorschlag:
Der Planungsbeschluss zur Umsetzung des Bürgerentscheids vom 6.10.19 wird zurückgestellt, da er auf der Grundlage des PSPC-Assmann-Gutachtens und auf einer allumfassenden Sanierung und Renovierung beruht. Anstelle dessen beauftragt der Rat die Verwaltung, umgehend dem Architekten des Gebäudes, Herrn Teich, den Zugang zum Gebäude zusammen mit dem von ihm angebotenen renommierten Sachverständigen, Herrn Prof. Pfeiffer, zu ermöglichen, damit ein kostengünstiges, selbstverständlich fach- und sachgerechtes Konzept zur Umsetzung des Bürgerentscheids wie versprochen auf Kosten von Herrn Teich erstellt werden kann.

 

Begründung
In Abschnitt b) der Beschlussvorlage V 19/0932-01 soll einzig gemäß der Ausführungen des PSPC-Assmann-Gutachtens zum VHS-Standort Bergstr. weiter verfahren werden, ungeachtet des deutlichen Ergebnisses des Bürgerentscheids für die Wiedernutzung des Gebäudes als VHS. Im vorliegenden Beschlussvorschlag sind Kosten von nunmehr sogar 22,5 Mio. € inkl. alleine 3,9 Mio. € Planungskosten sowie eine europaweite Ausschreibung angegeben, so dass die Wiedernutzung der VHS erst 2025 möglich würde und zudem diverse andere Maßnahmen des Immoservice dafür zurückgestellt werden müssten.

 

Das alles ist überflüssig, zu teuer, zu langwierig und entspricht nicht der Intention des Bürgerentscheids. Im Gegenteil: Damit wird das Bürgervotum konterkariert und sabotiert.

 

Das VHS-Gebäude ist nachweislich des PSPC-Assmann-Gutachtens in einem guten Zustand. Auch die vor 2 Jahren angeblichen Statikprobleme wurden genau wie mutmaßliche größere Schadstoffbelastungen nicht festgestellt. Die bis heute andauernde Schließung des Gebäudes ist nur noch mit mangelndem Brandschutz begründet. Wesentliche Brandschutzmängel wie die fehlende Schottung sind bereits seit 2007 bekannt und deren Behebung war im Brandschutzsanierungsgutachten von 2012 dezidiert aufgelistet. Diese Maßnahmen sind relativ zeitnah und ohne Komplettumbau umsetzbar.

Der Architekt Teich hat bereits mehrfach seine Hilfe angeboten, zuerst im Februar 2018 kurz vor dem Start des Bürgerbegehrens. Ende Juli 2019 wiederholte er sein Angebot und verwies gleichzeitig auf sein unstrittig bestehendes Urheberrecht an dem Denkmal der VHS in der MüGa. Bisher wurde ihm aber jedes Mal ziemlich unfreundlich kein Zutritt gestattet. Nach dem Bürgerentscheid hätte das nachgeholt werden können und sollen, was aber wegen länger währenden Krankheit im Verwaltungsvorstand nicht geschah. Anstatt jetzt einen ungeeigneten Planungsbeschluss wie oben skizziert zu beschließen, sollte Herr Teich unverzüglich und nach Möglichkeit noch vor Weihnachten zu dem VHS-Ortstermin zusammen mit Prof. Pfeiffer aus Darmstadt eingeladen werden. Herr Teich war bisher stets der festen Überzeugung, dass für ca. 2 Mio. € die Brandschutzsanierung so gestaltet werden kann, dass das Gebäude danach wieder nutzbar wäre. Danach könnten weitere Renovierungsmaßnahmen abschnittsweise durchgeführt werden, wobei der Betrieb entsprechend nach und nach in der bewährten VHS in der MüGa wieder aufgenommen werden könnte. Das ist umso notwendiger, weil der insbesondere für Weiterbildung und Integration enorm wichtige VHS-Betrieb durch die Schließung und den Ersatz am ungeeigneten Standort Aktienstr. massiv an Quantität und Qualität eingebüßt hat. Einige Bereiche müssen deshalb wieder neu aufgebaut werden, was nach und nach in den bereits renovierten Teilabschnitten im MüGa-Gebäude geschehen könnte und sollte.

 

Voraussetzung ist, dass der Brandschutz und die übrigen Umbauten getrennt voneinander geplant und beauftragt werden. Die Brandschutzsanierung ist dringlich, alles andere aber auf Jahre zu verteilen. Damit wird auch keine EU-weite Ausschreibung erforderlich, die das Ganze nur verzögern und deutlich verteuern würde. Herr Teich hat mehrfach ein Konzept ohne die unnötige Komplettsanierung vorgeschlagen. Deshalb sollte ihm endlich die Möglichkeit gegeben werden, dies zu konkretisieren und insbesondere für den Brandschutz eine Kostenschätzung vorzulegen. Das ist nur möglich, wenn er mit den von ihm auf seine Kosten beauftragten Experten das Gebäude auch betreten und begutachten kann. Ganz unabhängig von seinem Urheberrecht will er der Stadt Mülheim einen Gefallen erweisen, weil er bis heute auch stolz ist auf sein gelungenes Bauwerk, das nicht zufällig von der LVR-Denkmalbehörde in höchsten Tönen gelobt wurde, da die Funktionalität als Volkshochschule und als demokratische Begegnungsstätte mit dem Gebäude in hervorragender und vorbildlicher Weise umgesetzt worden war. Genau das dokumentierte sich bis zur überfallartigen Schließung immer wieder und an vielfältigen Beispielen. Auch deshalb wurde unsere VHS u.a. zum 25jährigen Jubiläum in allerhöchsten Tönen gelobt. Nach den verschiedenen Anläufen ab 2013, die VHS aus der MüGa verlagern zu wollen, wurde sie zwar zusehends stiefmütterlich behandelt, konnte aber trotz aller Erschwernisse im wesentlichen ihr hohes Niveau und mit über 500 Kursen auch ein großes Angebot aufrecht erhalten. Das hat sich nach Sept. 2017 drastisch verringert, so dass viele Kursteilnehmer sich inzwischen abgewendet haben und in Nachbarstädten ihre Kurse besuchen. Auch etliche Dozent/innen stehen nicht mehr zur Verfügung. Dieses Absinken des Niveaus der Mülheimer VHS eher auf den Stand einer kleineren Mittelstadt in der Provinz ist umso bedenklicher, weil die Anforderungen an VHS in einer Großstadt, insbesondere im kriselnden Ruhrgebiet, in den ganzen letzten Jahren rapide gestiegen sind, ob es sich um Digitalisierung, Integration oder Demokratieförderung handelt.

 

Das verlorene Terrain kann mit dem vorgeschlagenen Fahrplan von Immoservice und Kämmerer nicht wieder aufgebaut werden, soll es womöglich auch nicht. Doch Bildungspolitik darf man nicht einer Immobilienwirtschaft überlassen, denn die orinentiert sich logischerweise nicht an dringenden Bildungsbedürfnissen einer sich rapide ändernden Stadtgesellschaft.

 

Kurzum: Die bewährte Mülheimer VHS in der MüGa  muss schnellstmöglich wieder nutzbar gemacht werden, um den für das Allgemeinwohl zentralen Aufgabenbereich von Weiterbildung und Integration nach und nach wieder aufbauen zu können. Die vom Kämmerer vorgelegte Beschlussvorlage V 19/0932-01 ist dafür ungeeignet und sogar kontraproduktiv. Deshalb muss ein anderes Konzept her, was Herr Teich dankenswerterweise angeboten hat.

 

Dass nur dadurch der maroden Stadtkasse viel Geld erspart werden kann, müsste nicht nur den Kämmerer freuen. Denn damit ist es auch nicht mehr vonnöten, andere Schulen oder den Sport hinten anzustellen und gegen die VHS-Sanierung aufzubringen. Damit wäre auch ein wichtiger Schritt gegen die Spaltung der Stadtgesellschaft getan. Die Glaubwürdigkeit von Rat und Verwaltung bei der Umsetzung des Bürgerwillens wird mit der Beschlussvorlage V 19/0932-01 erheblich  zusätzlich beschädigt, auch wegen der gesamten Vorgeschichte der VHS-Auseinandersetzungen seit 2013.

 

Lothar Reinhard, MBI-Fraktionssprecher
Cevat Bicici, WIR AUS Mülheim